Forumtheater – eine interaktive Lernmethode
"Wenn wir Theaterspielen sind wir in der Lage, internalisierte Gewaltstrukturen sichtbar zu machen.“(Augusto Boal)
Ganz in der Tradition der befreienden Pädagogik Paulo Freire stehend, ging es Augusto Boal (1937 - 2009), dem brasilianischen Theatermann und Politiker mit seinen Theaterformen um das Schaffen von Vorraussetzungen, damit für jede/n Einzelne/n die gemässe Entwicklung möglich wird und zugleich bedrückende Strukturen verändert werden. Und diese beginnen überall dort, wo der Monolog den Dialog ersetzt, ob zwischen Mann und Frau, Schwarz und Weiss oder Nord und Süd.
Was will das Theater der Unterdrückten?
Grundgedanke aller Formen des Theaters der Unterdrückten ist, mit den Mitteln des Theaterspiels, Situationen repressiven Handelns bewusst zu machen und diese direkt gestalterisch zu verändern. „Wir sehen Herrschaftsstrukturen und haben sie anschliessend in unserem Kopf. Wir absorbieren gleichsam Gebote und Verbote, die um uns herum existieren.
Das ist eine subtile Form der Unterdrückung, die wir selbst aufrechterhalten. Wir haben unsere Polizisten im Kopf, die sagen: das tut man nicht!Oder: sei still! Aber ihre Hauptquartiere sind draussen. Wir müssen die Polizisten im Kopf kennenlernen, um gegen die Hauptquartiere ankämpfen zu können. Dazu helfen die Techniken des Theaters der Unterdrückten. Wenn wir Theaterspielen sind wir in der Lage, die internalisierten Gewaltstrukturen sichtbar zu machen.“(Augusto Boal)
Die Pädagogik des Theaters der Unterdrückten hat keine fixen Drehbücher oder Rollentexte als Arbeitsvorlagen und auch keine RegisseurInnen. Die Spielvorlagen im Forumtheater sind erlebte Szenarien und Geschichten (von Gewalt und Repression). Die Spielszenen werden aus dem alltäglichen Erleben herausgefiltert und durch sinnliche Präsentationen ins Allgemeine transformiert. SpielerInnen gleichen daher auch mehr „GeburtshelferInnen“ damit die „generativen“ (Freire) Themen gefunden und bearbeitet werden und die Lust am Spielen und Darstellen gefördert werden kann.
Die Bühne als Handlungs-und Erlaubnisraum
Für das Entwickeln von Forumtheaterszenen werden die Opfer- und GegenspielerInnenrollen ausgearbeitet und provokant an den Konflikthöhepunkten einander gegenübergestellt. Die Unzufriedenheit, Konfliktspannung und Hitze, die dadurch auch bei den Zuschauenden entsteht, soll zu Dynamik von Veränderung beitragen.
Im Spielen mit Opfer- und Täterrollen werden verfestigte Reaktionsmuster und soziale Masken gespürt. Das gemeinsame Reflektieren und Feedback über das Spiel mit den Rollen ist in dieser interaktiven Lernform notwendiger Bestandteil. Agieren und zugleich das eigene Tun bewusst beobachten – ganz hineinschlüpfen in die andere „Haut“ und zugleich innerlich zurücktreten und die gesamte Szenerie in den Blick nehmen – das ist die Kunst die jede/r im Theater der Unterdrückten entwickeln und üben kann.
Folgende Lerneffekte lassen sich für Forumtheater beobachten
- die Bühne erweist sich als Lernort, wo mit den Möglichkeiten zur persönlichen und gesellschaftlichen Veränderung experimentiert werden kann
- Spielende überwinden ihre Isolation. In Erarbeitungs- und Aufführungskontexen erfahren die Menschen, dass sie mit ihren Anliegen gar nicht so alleine da stehen.
- SpielerInnen erleben sich zunehmend kontextueller. Sie erfahren, dass Personwerdung im Zusammenspiel mit anderen und dem grösseren Ganzen geschieht.
- Spielende erfahren Ermutigung, ihr Ausdrucksbedürfnis und ihre eigenen Veränderungswünsche ernst zu nehmen und in entsprechendes Agieren umzusetzen.
- die neuen Erfahrungen die Menschen im Spiel machen werden in ihren jeweiligen Lebenszusammenhang hineingetragen und mit den Menschen, die es angeht, weiterbearbeitet